Kolloquium „Thermische Seewassernutzung in der Region Leipzig“

Im Zuge der Projektaktivitäten zu den Potenzialen der Thermischen Seewassernutzung in der Region Leipzig fand am Mittwoch, den 04.05.2022, unter der Leitung des NEU e.V. ein Kolloquium mit Herrn Bernd Felgentreff (Clusterteamleiter Neue Energiesysteme) und dem Leipziger Institut für Energie im SimpliOffice Leipzig statt. Zu der vierstündigen Veranstaltungen konnten insgesamt 35 Teilnehmende aus Verwaltung, Wissenschaft und Wirtschaft begrüßt werden.

Nachdem die im bisherigen Projektverlauf gesammelten Ergebnisse sowie die Schlussfolgerungen der Seethermie-Studie (Metropolregion Mitteldeutschland) einen hohen Bedarf an der Vermittlung von Wissen und Erfahrungen auf Behördenseite im Hinblick auf Genehmigungsprozesse aufgezeigt hatten, stand die Veranstaltung im Zeichen des Diskurses und der Netzwerkbildung zur Umsetzungs- und Genehmigungspraxis. Dabei wurde sich insbesondere den Hemmnissen, Chancen und künftigen Aufgaben gewidmet.

Während der Diskussion wurde von Seiten der unteren Wasserbehörden einerseits das Fehlen vorhandener Referenzwerte aus internationalen Vorreiterprojekten (Schweiz, Niederlande) und deren Transfer in den deutschen Sprachraum thematisiert. Andererseits mangelt es an konkreten Projekten, damit ein Genehmigungsprozess praxisnah durchgeführt werden kann. Die Simulation vorläufiger Genehmigungsprozesse ist dabei aus Kapazitätsgründen und aufgrund der Rechtslagen nicht möglich.

Von Seiten der Projektentwickler wurde das Abtasten mit den Behörden bei einem bestehenden Vorhaben als ein Hemmnis hervorgehoben. Da beispielsweise mit der durch das ILK Dresden entwickelten Vakuum-Flüssigeis-Methode eine neue – ökologisch unbedenklichere – Technologie zur Anwendung kommt, fehlt es den Behörden an Grundlagen zur Bewilligung. Daher werden von verschiedensten Ämtern (Amt für Umweltschutz, Landestalsperrenverwaltung, untere Wasserbehörden, etc.) teilweise sehr detaillierte Umweltverträglichkeitsgutachten verlangt, was den gesamten Genehmigungsprozess verzögert und erschwert. Hier wurde seitens der Behörden die Anregung gegeben, Pilotprojekte an jungen, ökologisch unbedenklicheren Seegebieten, wie z.B. eines Tagesbaurestlochs, durchzuführen, um den Prozess einfacher zu gestalten.

Hinsichtlich eines möglichen Hemmnisses durch die aquatische Beeinflussung der Seethermie herrschte dagegen große Übereinstimmung unter den Teilnehmenden: Eine negative Beeinträchtigung wird ausgeschlossen. Vielmehr wurde ein positiver Aspekt auf das Gewässer durch eine Wärmeentnahme festgestellt. Da aufgrund des Klimawandels bereits eine sukzessive, natürliche Erwärmung der Oberflächengewässer eingesetzt hat, kann durch eine “Entwärmung” mittels Seethermie regulierend darauf eingewirkt werden. Dabei könnte eine “Entwärmung” von 0.1°C bereits einen positiven Effekt erzielen.

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Wirtschaftlichkeit. Aus den bisherigen Untersuchungsergebnissen in der Region kann die Seethermie mit gängigen Technologien der Wärmeversorgung gut verglichen werden. Teilweise erfordert sie sogar zwischen 20-30% weniger Investitionskosten als beispielsweise geothermische Anwendungen. Dies muss jedoch stets im ortsabhängigen Kontext betrachtet werden. Die Herausforderung der kontinuierlichen Abnahme von Wärme könnte mit sogenannten kalten, intelligenten Wärmenetzen angegangen werden, welche mit niedrigen Vorlauftemperaturen arbeiten, jedoch auch investive Veränderungen des vorhandenen Wärmenetzes erfordern. Daher eigenen sich Anwendungen der Seethermie aus Sicht der kommunalen Wärmeversorger vor allem in Gebieten außerhalb von bestehenden Fernwärmenetzen.

Die Region Mitteldeutschland weist dabei bereits eine Vielzahl an Umsetzungschancen auf. Konkret wurden insbesondere die Entwicklung eines “grünen” Gewerbegebietes (Stadt Zwenkau) sowie das Vorhaben Bioenergiedorf Neu-Muldenstein (Gemeinde Muldestausee) genannt. Weitere Potenziale und Initiativen existieren jedoch auch in der Stadt Markkleeberg oder der Gemeinde Großpösna. Im Stadtgebiet Leipzigs wurde darüber wurde festgestellt, dass auch Fließgewässer wie das Elsterflutbe-cken, die Pleiße, die Elster oder auch der Cospudener See (für die Stadtteile Hartmannsdorf und Knaut-hain) für eine zukünftige Wärmeversorgung herangezogen werden könnten.

Dies führt zu einer Reihe an Aufgaben, denen sich kurz- bis mittelfristig gestellt werden muss, um dem Thema in der Region mehr Bedeutung zu geben. Neben der Fortführung der nun gestarteten Netzwerkbildung müssen insbesondere Referenzen geschaffen werden. Damit lassen sich Kriterien für standardisierte Grenzwerte oder aufwendige wissenschaftliche Untersuchungen ableiten. Dazu bedarf es eines Transfers der vorhandenen Erkenntnisse in Europa sowie gezielter Projekte, deren Förderung vor allem bei der Sächsische Agentur für Strukturentwicklung zu finden sind. Darüber hinaus bedarf es an Akteuren mit Infrastruktur- bzw. Pilotprojekten und einer effizienteren Kommunikation zwischen Verwaltung, Wirtschaft und Wissenschaft. Nur so wird man – laut vielen Teilnehmenden – erfolgreich an der Akzeptanz des Themas und der Genehmigungsfähigkeit weiterarbeiten.