Am 01. September 2022 fand nach der Sommerpause das 5. Expertengespräch des NEU e.V. statt. Diesmal stand das städtische Gebäudemanagement im Vordergrund.

Der Bau- und Gebäudebetriebssektor emittiert einen großen Teil der jährlichen Treibhausgase weltweit. In Deutschland ist der Betrieb von Gebäuden für ca. 35 Prozent des Endenergieverbrauchs und etwa 30 Prozent der CO₂-Emissionen verantwortlich (Energieeffizienz in Zahlen Entwicklungen und Trends in Deutschland 2021, BMWi). Dabei haben energetische Sanierungen wie Wärmedämmung von Fassaden, Dach und Keller großes Potenzial zum Energiesparen. Heizungsanlagen verbrauchen in den Haushalten am meisten Energie und verursachen damit mit Abstand am meisten CO₂. Somit kann bei einem Wechsel der Heizungsanlage der Energieverbrauch deutlich gesenkt werden.

Um den Anforderungen des Klimaschutzes gerecht zu werden, sollte aus Sicht des Umweltbundesamtes der Gebäudebestand langfristig (bis spätestens 2050) klimaneutral werden. Das bedeutet einen niedrigen Nutzenergiebedarf und eine (möglichst vollständige) Versorgung mit erneuerbaren Energien. Die nötigen Maßnahmen sind oft seit Jahrzehnten bekannt, doch es fehlt weiterhin an deren Umsetzung.

Das Expertengespräch stellt hierfür Erfahrungen aus der Praxis sowie neuere Ansätze aus der Forschung und Entwicklung vor, um aktuelle „Stellschrauben“ auf einem Weg des klimaneutralen Gebäudemanagements aufzuzeigen.

Den Anfang machte Alexander Peitz (Teamleiter Energiedienstleistung und Multimedia) von der Wohnen & Service Leipzig GmbH (WSL), einem 100%igen Tochterunternehmen der Leipziger Wohnungs- und Baugesellschaft. Nach seinen Schätzungen sind deutschlandweit rund 90% der Heizungsanlagen nicht optimal eingestellt, da zum einen Heizkosten sog. Durchlaufposten sind und zum anderen die CO₂-Bepreisung noch bis 2023 zu 100% umlagefähig sind. Im nachhaltigen Energiemanagement ihrer Gebäude setzt die WSL verstärkt auf die Digitalisierung. Man fokussiert sich auf die Fernwartung der Heizungsanlage sowie auf das Verbrauchsmanagement der MieterInnen. Im Zuge des EU-Projekts SPARCS wurde eine dynamische Heizungssteuerung nach dem Wärmebedarf des Objektes entwickelt, welche auf den Bedarf (Echtzeitdaten) und andere Randbedingungen (Außentemperatur, ggf. Wettervorhersage, zusätzliche Erzeugungsquellen) reagiert. Dies soll vor allem der Optimierung von Vorlauftemperaturen und Übergangsphasen zugutekommen, um den Komfort der MieterInnen zu steigern. Die größten Herausforderungen liegen in der technischen Anpassung veralteter Anlagentechnik und der Integration herstellerspezifischer Lösungen. Oftmals schrecken jedoch die hohen Betriebskosten der automatisierten Optimierungssysteme im Vergleich zu gesetzlich vorgeschriebenen Systemen ab, um flächendeckende Investitionen in den Wohnungsbau- und Verwaltungsgesellschaften zu initiieren.

Den zweiten Redebeitrag hielt Prof. Dr. Robert Böhm (Professor für Leichtbau mit Verbundwerkstoffen) von der HTWK Leipzig. Im Fokus seines Vortrages stand das Forschungsprojekt iClimaBuilt, welches alternative Baustoffe und -elemente für Null-Energie-Häuser erforscht, um somit dem enormen CO₂-Ausstoß in der Zement-Industrie entgegenzutreten. Man widmet sich dem Energieverbrauch während der Herstellung sowie während der Lebensdauer eines Hauses. Als Grundlage dienen multifunktionale Sandwichelemente aus Beton mit einer hohen Wärmedämmung. Diese Elemente bestehen aus einer Kombination von Carbonfasern mit Feinkornbeton (Textile Reinforced Concrete) für Statik und einem sehr leichten, nachhaltigen Porenbeton (Cellular Lightweight Concrete) für Wärmedämmung. Für eine unterstützende Dämmung werden Aerogele entwickelt: hochporöse Gele, die mit ihren Nanoporen ein hocheffizientes Dämmmaterial bieten. Anwendung finden die wissenschaftlichen Untersuchungen in einem Stadthaus in Leipzig (Anna-Kuhnow-Straße) sowie im CUBE Living Lab in Dresden.

Der dritte und somit finale Gastredner war Daniel Landgraf (Geschäftsführer) der e7-Gruppe, einem Ingenieursbüro-Verbund aus Leipzig. Herr Landgraf veranschaulichte in seinem bildhaften und umfangreichen Vortrag alle nötigen Prozessschritte zur Planung und Umsetzung eines klimaneutralen Quartiers. Der größte, aber auch unverzichtbare Aufwand liegt in der Erstellung der Datengrundlage. Neben der Recherche umsetzbarer Energiesysteme erfordert die Planung eine detaillierte (von Stadtgebiets- bis Gebäudeebene) Analyse von vorhandener Infrastruktur wie Wärmenetze, Wärmesenken und -Quellen, der energetischen Standards, der Bewertung des Gebäudebestands und vielem mehr. Nur so lassen sich eine adäquate Anlagentechnik bestimmen, alle relevanten Betriebskennzahlen simulieren und die Wirtschaftlichkeit abschätzen. Eine besondere Herausforderung besteht in der Planung der Heiztechnik im Bestand. Dort steht man oft vor der Aufgabe, die gewünschten Anlagen in dem zur Verfügung stehenden Raum zu installieren. Dies erfordert eine zusätzliche Ausmessung der Räumlichkeiten im 3D-Modell, damit der Einbau der Anlage nicht an trivialen Sachen – wie der Höhe einer Durchgangstür – scheitert. In allen Fällen wird daher geraten, dass Konzeption, Planung und bauliche Umsetzung gemeinsam gedacht und angegangen werden.

Wir bedanken uns vielmals bei allen Referierenden und Teilnehmenden und hoffen, Sie auch beim nächsten Expertengespräch wieder begrüßen zu können.